Internate – eine Alternative zur klassischen Schule?
Die Frage nach der richtigen Schule gehört zu den wichtigsten Entscheidungen, die Eltern für ihre Kinder treffen müssen. Seit sich die Debatten um das öffentliche Schulsystem in den vergangenen Jahren verschärfen, gewinnen Internate als Alternative zu klassischen Schulformen wieder mehr an Bedeutung.
In ihren Anfängen waren Internate vor allem Orte der Vorbereitung auf ein geistliches Leben. Später entwickelten sich Internate als Ausbildungsstätten gesellschaftlicher Eliten, die die Söhne und Töchter höherer Bürger und Adliger auf ihre sozialen Rollen vorbereiteten. Ab dem 19. Jh. entstanden die ersten Internate mit Schwerpunkten wie Sport oder Musik und später kamen Internate mit alternativen pädagogischen Konzepten hinzu, die sich bewusst von der Wissensvermittlung in öffentlichen Schulen abgrenzten. Darüber hinaus gibt es in Deutschland eine Reihe von Internaten, die auf die Bedürfnisse von Kindern mit Lernschwächen oder anderen Einschränkungen ausgerichtet sind.
Die ganzheitliche Schule als Lebensmittelpunkt
Die Zahl der öffentlichen Schulen sinkt, für viele Kinder aus ländlichen Gegenden bedeutet das immer längere Anfahrtswege. Da liegt es nahe, nach einer entsprechenden Unterbringung in der Nähe zu suchen. Oder die Berufstätigkeit vieler Eltern lässt zu wenig Raum, um die Kinder angemessen zu betreuen und zu begleiten. Wer viel auf Reisen ist oder internationale Aufgaben wahrnimmt, möchte seinem Kind dennoch einen zuverlässigen Lebensmittelpunkt und eine kontinuierliche Ausbildung ermöglichen. Internate sind deshalb nicht nur Lehranstalten, sondern vertreten auch unterschiedliche, ganzheitliche Konzepte des gemeinsamen Lebens und Lernens, die den Kindern Vertrauen, Sicherheit und Raum zu Persönlichkeitsentwicklung bieten sollen. Diese Aspekte spielen auch eine besondere Rolle in Internaten für Kinder, die in öffentlichen Schulen gescheitert sind oder einen schwierigen familiären Hintergrund haben. In diesen Fällen zahlt häufig das Jugendamt die Unterbringung.
Konfessionsgebundene Internate
Diese Internate machen nach wie vor die größte Gruppe nichtstaatlicher Internate in Deutschland aus. Die Bedingung für eine Aufnahme ist die Zugehörigkeit zu der entsprechenden Konfession, also katholisch oder evangelisch. Die Vermittlung christlicher Werte und Inhalte findet sich sowohl im Lehrplan als auch in der Alltagsgestaltung. Diese Internate kosten weniger als die sogenannten Eliteinternate, die monatlichen Gebühren liegen etwa zwischen 500 und 1000 Euro und sind nach Geschlechtern getrennt.
Eliteinternate als Pluspunkt im Lebenslauf
Einige Eltern legen Wert auf eine ausgezeichnete Ausbildung, die Kinder auf den internationalen Arbeitsmarkt vorbereitet. Der Lehrplan der meisten Internate weicht daher vom klassischen Lehrplan öffentlicher Schulen ab oder geht darüber hinaus. Geringe Klassenstärken von maximal zehn Schülern, intensive Betreuung durch Mentoren und die Arbeit in Projektgruppen so wie individuelle Förderung sind im besonderen Lernumfeld dieser Internate möglich, haben aber auch ihren Preis. Für ein Eliteinternat müssen die Eltern nicht selten bis zu 3000 Euro im Monat aufbringen. Dafür entstehen häufig schon während der Schulzeit Netzwerke, die im späteren Berufsleben von Vorteil sind. Ein Abschluss an einem Eliteinternat wertet den Lebenslauf auf. Kritiker weisen allerdings daraufhin, dass sich die Fähigkeiten dieser Schüler im Vergleich nur wenig von der in klassischen Schulen unterscheiden und dass das sehr homogene und abgeschlossene soziale Umfeld des Internats die Kinder von Erfahrungen mit anderen Gesellschaftsgruppen trennt. Für einige Eltern ist wiederum genau das ein Argument für ein Eliteinternat.
Individuelle Begabtenförderung
Internate mit speziellen Schwerpunkten fördern besondere Begabungen, so gibt es Sport- und Musikinternate, aber auch Internate für hochbegabte Schüler, die in normalen Schulen unterfordert sind. Die Aufnahmebedingungen sind in allen Fällen herausragende Leistungen in diesem Bereich und die Bereitschaft, mehr als das in klassischen Schulen übliche Lernpensum zu bewältigen. Der Aufenthalt wird häufig durch Begabtenstipendien gefördert. In welchem Maße die besonderen Leistungen und Begabungen im Vordergrund stehen, ist von Internat zu Internat unterschiedlich und gibt immer wieder Anlass zur Kritik durch Eltern, die zum Beispiel fürchten, dass das Leistungsniveau durch weniger begabte Schüler nach unten gezogen wird.
Gemeinschaft und Eigenständigkeit
Das Leben im Internat bietet viele Möglichkeiten, die es zu Hause nicht gibt. Das Leben in der Gemeinschaft, weit ab vom Einfluss der Eltern, schafft für die eigenständige Entwicklung und die soziale Kompetenz der Schüler Freiräume, die zu Hause fehlen. Die klaren und strengen Regeln, die objektiv für alle Schüler gelten, sind in der in der Pubertät für viele Teenager konfliktfreier zu akzeptieren als die Regeln der eigenen Eltern. Hinzu kommt, dass viele Schüler aus ganz unterschiedlichen Gründen im klassischen Schulsystem nicht zurecht kommen und in Internaten unter Gleichgesinnten eine neue Chance erhalten, Leistung zu zeigen und Selbstbewusstsein zu gewinnen.
Drogen, Mobbing und Einsamkeit
Zu den Schattenseiten des Internatslebens gehören gruppendynamische Prozesse, in denen Schüler dem Mobbing anderer ausgesetzt sind und sich, anders als in klassischen Schulformen, auch nach Unterrichtsende nicht entziehen können. Heimweh und ein Scheitern an den Ansprüchen kann Kindern das Internatsleben sehr schwer machen. Unter älteren Schülern finden sich immer wieder Drogen- und Alkoholprobleme, weshalb viele Internate regelmäßige Drogen- und Alkoholtests durchführen und auch Sex unter den Schülern mit Schulausschluss bestrafen. Auch der Kontakt zu den Eltern kann unter der Trennung leiden. Von eventuellen Schwierigkeiten erfahren die Erziehungsberechtigten daher oft erst sehr spät, gar nicht oder durch die Lehrer und Betreuer.
Deutschlands bekannteste Internate
Deutschlands wohl berühmtestes Internat ist die traditionsreiche Schule Schloss Salem am Bodensee. Viele berühmte Schriftsteller und Unternehmer besuchten das Internat, unter ihnen Golo Mann (Historiker und Sohn Thomas Manns) oder August Oetker d. J. (Chef des gleichnamigen Unternehmens). Weitere bekannte Internate sind das Landheim Schondorf, das Internat Louisenlund in Schleswig-Holstein und das evangelische Internat Maulbronn.
Die Suche nach dem richtigen Internat
Wer für sein Kind ein geeignetes Internat sucht, steht zunächst vor der schwierigen Aufgabe, sich in der Fülle der verfügbaren Informationen und Meinungen zurecht zu finden.
Folgende Punkte sollten bei der Suche nach dem richtigen Internat beachtet werden:
- Binden Sie Ihr Kind in jede Entscheidung mit ein.
- Informieren Sie sich – und zwar nicht nur über die Broschüren der Internate.
- Suchen Sie Kontakt zu anderen Eltern, die Erfahrung mit Internaten gemacht haben.
- Sprechen Sie nicht nur mit der Schulleitung, sondern auch mit Lehrern.
Obwohl Internate in der letzten Zeit neue Popularität gewinnen, haben selbst die bekanntesten Internate mit sinkenden Schülerzahlen zu kämpfen. Besondere Internatsberatungen erhalten daher von Internaten eine Provision, wenn sie erfolgreich Schüler dorthin vermitteln. Aus diesem Grund ist Vorsicht geboten, wenn es um die Neutralität einer solchen Beratung geht.
Ulrich Lange
Dass Internate „in der letzten Zeit neue Popularität gewinnen“, ist dummes Zeug. Das schreiben nur diejenigen, die im Auftrag der privaten Bildungsindustrie oder im Eigeninteresse alljährlich „gute Nachrichten“ produzieren müssen. Die dahinter stehende PR-Masche wird auf folgender Seite entlarvt:
http://internate-zitate.beepworld.de/
Und Deutschlands „bekannteste“ Internate sind nicht unbedingt die besten und schon gar keine Eliteinternate. Siehe
http://zfi-archiv.beepworld.de/
Nicht enttäuscht sein! „Hanni und Nanni“ war nur ein Kinderbuch!